Patient wird nicht mehr verlegt, sondern Spezialist fliegt per Helikopter direkt in die Klinik

Klinikum Landkreis Erding an weltweit einzigartigem Pilotprojekt in der modernen Schlaganfallversorgung beteiligt

Beim Schlaganfall zählt jede Minute. Um allen Patienten die schnellste und bestmögliche Therapie anbieten zu können, nimmt das Klinikum Landkreis Erding seit Februar 2018 am Pilotprojekt „TEMPiS Flying Interventionalists“ (TEMPiS-FIT) teil. Im Notfall wird ein spezialisiertes Interventionsteam aus München per Helikopter eingeflogen um schwierige Eingriffe direkt in Erding durchzuführen.

Bereits bei der Vorstellung der neuen Angiographie-Anlage im April wurde die Erdinger Beteiligung an diesem Projekt kurz angesprochen – am 7. Mai hat nun das Klinikum Harlaching als Projektträger TEMPiS-FIT in München vorgestellt. Die Thrombektomie, eine bahnbrechende neue Behandlungsmethode, hat die Therapie des Schlaganfalls in den letzten Jahren revolutioniert. „Dabei wird ein Blutgerinnsel, das eine Hirnarterie verstopft, mechanisch mithilfe eines Katheters entfernt“, erläutert Chefarzt PD Dr. Lorenz Bott-Flügel, der die Schlaganfalleinheit im Klinikum Erding leitet. Der Eingriff erfordert eine hohe medizinische Expertise und muss so schnell wie möglich durchgeführt werden, um schwere Behinderungen zu vermeiden. Patienten in Erding, die für einen solchen Eingriff in Frage kommen, mussten bisher in einer aufwändigen Prozedur in eines der großen Schlaganfallzentren in München verlegt werden. Um den damit verbundenen Zeitverlust zu vermindern, kehrt das Pilotprojekt „Flying Interventionalists“ dieses Prinzip jetzt um. Der auf den Eingriff spezialisierte Experte fliegt zum Patienten. „Damit kann die Behandlung ab sofort hier stattfinden“, so Landrat Martin Bayerstorfer. „Noch vor wenigen Jahren konnten in Erding Schlaganfälle generell kaum behandelt werden. Mit der Aufnahme in das TEMPiS-Projekt hat sich die Notfallversorgung im Landkreis deutlich verbessert, nun ist sie noch weiter ausgebaut worden.“

Neues Prinzip spart 100 Minuten – und rettet bis zu 190 Millionen Nervenzellen
Rund 260.000 Menschen erleiden in Deutschland jährlich einen Schlaganfall. Sobald die Symptome auftreten, läuft die Zeit. Ohne die geeignete Therapie sterben pro Minute 1,9 Millionen Nervenzellen. Durch den Einsatz der „fliegenden Interventionalisten“ können schwer betroffene Patienten in Erding nun viel schneller behandelt werden. Der Schlüssel liegt in der eingespielten Zusammenarbeit von Klinik und Schlaganfallzentrum, die parallel erfolgt und damit wertvolle Zeit spart. Während der Patient in Erding bereits optimal vorbereitet wird, macht sich das neuroradiologische Interventionsteam per Helikopter auf den Weg. So kann das Interventionsteam wenige Minuten nach der Ankunft in der Klinik mit dem Eingriff beginnen. Im Vergleich zu einer konventionellen Verlegung ist die neue Versorgungsstruktur nach Einschätzung des Projektleiters Dr. Gordian Hubert, Oberarzt am Klinikum Harlaching, im Schnitt 100 Minuten schneller.

Das Klinikum Landkreis Erding setzt sich für moderne Schlaganfallversorgung ein
In der Pilotphase nehmen neben Erding noch 10 weitere regionale Kliniken in Oberbayern, Niederbayern und der Oberpfalz an dem Projekt teil. Die fliegenden Ärzte sind erfahrene interventionelle Neuroradiologen aus dem Klinikum Harlaching und dem Klinikum rechts der Isar in München. Die Flugbereitschaft wird zunächst an 26 Wochen im Jahr, 7 Tage die Woche, jeweils in der Zeit zwischen 08:00 Uhr und 22:00 Uhr zur Verfügung stehen. Für die Durchführung der Flüge stehen dem Projekt mit der ADAC Luftrettung gGmbH und der HTM Helicopter Travel Munich GmbH zwei äußerst erfahrene Partner zur Verfügung. Mit dem Helikopter vom Typ EC 135 kommt dabei einer der modernsten und leistungsfähigsten Hubschrauber seiner Klasse zum Einsatz.

Die „Flying Interventionalists“ sind ein Projekt des telemedizinischen Schlaganfallnetzwerks TEMPiS, dem die Klinik Erding bereits seit 2013 angehört. Das TEMPiS-Netzwerk gehört mit 21 angebundenen Kliniken, zwei Telemedizinzentren und mehr als 6.000 telemedizinischen Untersuchungen pro Jahr zu den größten Netzwerken seiner Art in Europa. Ziel des Netzwerks ist die Verbesserung der Schlaganfallversorgung in ländlichen Regionen. Die Ärzte in der Schlaganfalleinheit in Erding werden bei der neurologischen Untersuchung, der bildgebenden Diagnostik und der Therapieentscheidung von ausgewiesenen Schlaganfallspezialisten in den Zentren telemedizinisch unterstützt. „Wir sind froh mit dem Klinikum Landkreis Erding als geschätztem Partner zusammenzuarbeiten und den Patienten in der Region Erding im gegenseitigen Austausch die bestmögliche medizinische Versorgung zu gewährleisten“, sagt Dr. Hubert. Die „Flying Interventionalists“ sollen nun dazu beitragen, dass die Patienten auch in Zukunft über den gesamten Therapieverlauf wohnortnah in Erding verbleiben können.

Projektpartner und Finanzierung
Projektträger ist das Städtische Klinikum München-Harlaching, Kooperationspartner sind das Klinikum rechts der Isar der TU München und das Universitätsklinikum Regensburg. Die Finanzierung des Projektes erfolgt vollständig durch die gesetzlichen und privaten Krankenkassen. Die wissenschaftliche Auswertung wird durch das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege (StMGP) gefördert.

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