Harnsteine (Urolithiasis)

Unter Harnsteinen versteht man alle im Harntrakt vorkommenden Steine – Nierensteine (Nephrolithiasis), Harnleitersteine (Ureterolithiasis) und Blasensteine. Während Blasensteine meist durch eine Entleerungsstörung der Harnblase bedingt sind (z. B. Prostatavergrößerung bei Männern) und somit durch Beheben der Ursache gut behandelt werden können, sind die Ursachen für Nierensteine häufig vielfältiger und komplexer.

Neben angeborenen Stoffwechselstörungen und anatomischen Veränderungen der Harnwege stellen so genannte Wohlstandserkrankungen wie das metabolische Syndrom (Übergewicht, Bluthochdruck, erhöhte Blutfette, erhöhter Blutzucker) die zahlenmäßig größten Risikofaktoren für das Entstehen von Steinen dar. Die Veränderung von Lebens- und Ernährungsgewohnheiten hat zu einem rasanten Anstieg der Harnsteinerkrankung in den letzten Jahrzehnten in den Industrienationen geführt. In Deutschland hatte etwa jeder 20ste Bürger (4,7%) in seinem Leben bereits einen oder mehrere Harnsteine. Somit kann man das Harnsteinleiden guten Gewissens als Volkskrankheit bezeichnen. Bei Menschen, die bereits einen oder mehrere Steine hatten, steigt das Risiko erneut ein Steinleiden zu entwickeln auf 40 – 50 %.

Entstehung und Beschwerden

Harnsteine entstehen, wenn Mineralsalze, die normalerweise im Urin gelöst sind, eine so hohe Konzentration erreichen, dass sie nicht mehr gelöst sind, sondern als Kristalle ausfällen. Dann bilden sich – häufig über Monate oder Jahre unbemerkt – Harnsteine. Diese können in der Niere lange Zeit bestehen / wachsen ohne dass man etwas davon merkt. In der Regel verursachen Steine erst dann Schmerzen, wenn sie aus der Niere in den Harnleiter (die Verbindung zwischen Niere und Blase) abgehen. Im Harnleiter führt ein Stein dann meist zu einer Harnstauung, was die typischen Nierenkoliken auslöst.

Diagnostik

Eine akute Nierenkolik ist ein urologischer Notfall. Ihr niedergelassener Urologe oder der diensthabende Urologe in der Notfallambulanz wird Ihnen in dieser Situation zunächst ein starkes Schmerzmittel (oder auch eine Kombination mehrerer Schmerzmittel) geben um die akute Schmerzsituation in den Griff zu bekommen. Im weiteren Verlauf erfolgen in der Regel eine Ultraschalluntersuchung des Harntrakts und eine Urinuntersuchung.

Sollte sich dabei der Verdacht auf einen Harnstein erhärten, wird normalerweise eine weitere Bildgebung veranlasst um Größe, Anzahl und Lage des Steins / der Steine festzustellen. Dies wird meist mittels Computertomographie des Bauchraums untersucht. Hierzu gibt es spezielle Programme (sog. low dose CT), die es möglich machen die Belastung mit schädlicher Röntgenstrahlung so gering wie möglich zu halten und trotzdem mit 90-100 %iger Sicherheit Steine nachzuweisen bzw. auszuschließen.

Alternativ zur Computertomographie gibt es auch die Möglichkeit mittels konventioneller Röntgenaufnahmen nach Kontrastmittelgabe über eine Vene (sog. Ausscheidungsurogramm oder IVP) den Harntrakt darzustellen. Diese Methode ist weniger zuverlässig, was den Steinnachweis bzw. -ausschluss angeht. Außerdem ist die Gabe von Röntgenkontrastmittel nicht immer unproblematisch. Aus diesen Gründen hat die Computertomographie das klassische Ausscheidungsurogramm zur Steindiagnostik weitgehend abgelöst.

Therapie

Nierensteine, die Ihnen keine Beschwerden bereiten, müssen häufig nicht aktiv behandelt werden. Oft reichen regelmäßige Kontrolluntersuchungen aus. Wann eine Behandlung sinnvoll ist, wird Ihr Urologe mit Ihnen besprechen.

Bis zu einer gewissen Größe (ca. 5mm) haben Harnsteine gute Chancen von selbst spontan abzugehen. Bei kleinen spontan abgangsfähigen Harnleitersteinen, die Ihnen Schmerzen bereiten, wird Ihr Urologe Sie engmaschig untersuchen und Ihnen Medikamente verschreiben, die Ihnen zum einen Schmerzerleichterung bringen, zum anderen den Steinabgang beschleunigen können. Insgesamt gehen bis zu 80% der Steine spontan ab. Sollte doch eine operative Therapie notwendig werden, bietet Ihnen die Klinik für Urologie und Kinderurologie alle gängigen modernen Methoden zur Steinsanierung an. Welche Therapie die für Sie richtige ist wird Ihr Urologe bzw. ein Arzt unserer Abteilung ausführlich mit Ihnen besprechen. Im Folgenden können Sie sich einen Überblick über die verschiedenen Therapieoptionen verschaffen. Am Klinikum Landkreis Erding steht ein hochmoderner Röntgenarbeitsplatz zur Verfügung, der nicht nur eine hervorragende Bildqualität liefert, sondern auch für Patient und Arzt sehr strahlungsarm arbeitet.

Stoßwellentherapie (extrakorporale Stoßwellenlithotripsie; ESWL)

Bei der extrakorporalen Stoßwellenlithotripsie (ESWL) handelt es sich um eine Zertrümmerung der Steine von außen durch Stoßwellen. Dadurch werden größere Steine in viele kleine Fragmente zerkleinert, die dann spontan abgehen können. Es ist kein Schnitt oder Einbringen von Instrumenten in den Körper notwendig. Die ESWL ist ein sehr schonendes und nebenwirkungsarmes Verfahren der Steinbehandlung. Es wird in der Regel ambulant durchgeführt. Während der Behandlung verabreicht Ihnen der behandelnde Arzt in der Regel ein Schmerzmedikament, wodurch die Behandlung sehr gut verträglich ist. Eine Narkose ist nicht erforderlich. Die Ortung und Einstellung des Steins erfolgt meist über Ultraschall-, seltener über Röntgenortung, sodass meist auf den Einsatz von Röntgenstrahlung verzichtet werden kann. Häufig sind allerdings mehrere Behandlungen notwendig um eine Steinfreiheit zu erzielen. Die ESWL kann sowohl zur Behandlung von Nieren- als auch Harnleitersteinen eingesetzt werden.

ESWL: Dornier Compact Sigma am Klinikum Landkreis Erding
ESWL - Dornier Compact Sigma am Klinikum Landkreis Erding

Harnleiter- / Nierenspiegelung (Ureterorenoskopie; URS)

Bei der Harnleiterspiegelung geht man mit einem dünnen Instrument über die Harnröhre und die Harnblase in den Harnleiter. Das Instrument ist mit einer Lichtquelle und mit einer Kamera ausgestattet, sodass man den kompletten Harnleiter, sowie die Niere über ein hochauflösendes Bild beurteilen kann. Den Harnleiter beurteilt man in der Regel mit einem starren, die Niere mit einem flexiblen Instrument. Die Instrumente verfügen über Arbeitskanäle, über die man dünne Körbchen oder Zangen einführen und unter Sicht Steine entfernen kann. Sollte ein Stein zu groß sein um ihn komplett zu entfernen wird er unter Sicht mit einem Laser zerkleinert und die einzelnen Fragmente mittels Steinfangkörbchen oder Fasszange entfernt.


Flexible Ureterorenoskopie zur Behandlung eines großen Nierenkelchsteines

Bei der URS nutzt man die Harnröhre als natürlichen Zugangsweg zum Harntrakt. Somit ist kein Schnitt von außen notwendig. Alle Operationsschritte werden unter Kamerasicht durchgeführt. Dies macht die URS zu einem sehr schonenden und risikoarmen Eingriff. Die URS wird in Vollnarkose durchgeführt um eine vollständige Schmerzfreiheit zu gewährleisten. Der Eingriff dauert meist zwischen 30 und 60 Minuten, bei sehr großen Nierensteinen können auch OP-Zeiten von 2 Stunden vorkommen.

Neben der Steintherapie eignet sich die URS auch zur Diagnostik von Veränderungen (Engstellen, Tumoren) des oberen Harntraktes.

Holmium-Laser zur Stein-und Prostatatherapie
Holmium-Laser zur Stein-und Prostatatherapie

Percutane Nephrolithotomie (PCNL / Mini-PCNL)

Die PCNL ist eine Methode zur Steinentfernung von außen, die sich vor allem für größere Nierensteine eignet. Unter kombinierter Ultraschall- und Röntgenkontrolle wird zunächst von außen in die Niere gestochen. Über einen Führungsdraht wird dann ein Kanal von der Haut zur Niere aufgedehnt (bougiert). Darüber wird ein Arbeitsschaft in die Niere gelegt. Über diesen geht man mit einem Instrument, das mit einer Kamera ausgestattet ist, in die Niere. Wenn notwendig können die Steine mit einem Laser oder Ultraschall zerkleinert und die Fragmente entfernt werden.

In den letzten Jahren wurde diese Technik immer weiterentwickelt. Ein Ergebnis dieser Entwicklung ist die Mini-PCNL. Hierbei werden die Steine mit einem Laser „zerstäubt“ und der Steinstaub automatisch über das Instrument aus der Niere gespült. Diese Technik ermöglicht einen wesentlich kleineren Schnitt und dünnere Instrumente. Durch das passive Ausspülen kann in aller Regel auf die Verwendung von scharfen Fasszangen o. ä. verzichtet werden, was die Mini-PCNL zu einem sehr schonenden und minimalinvasiven Verfahren macht.

Nach der Operation wird in aller Regel ein sog. Nephrostomiekatheter (Katheter aus der Niere nach außen) eingelegt. Nach Abklemmen und der Überprüfung ob der Urin auf dem natürlichen Weg über den Harnleiter in die Blase abläuft, wird dieser wenige Tage nach der Operation wieder entfernt, sodass Sie im Normalfall nach einem Aufenthalt von 2 – 5 Tagen ohne Katheter oder andere Schläuche entlassen werden können.

  

Nachsorge

Metaphylaxe (erneutes Auftreten von Harnsteinen vermeiden oder verzögern)
Bei Rezidivsteinbildnern (z.B. Patienten mit einer genetischen Anlage für die Ausbildung von Harnsteinen) kann es sinnvoll sein, eine sogenannte metabolische Steinabklärung durchzuführen, um die Ursache des Steinleidens nach Möglichkeit dingfest zu machen und soweit möglich, medikamentös der Neubildung von Steinmaterial entgegenzuwirken.

Grundsätzlich sollte eine Trinkmenge von über 2,5 Liter pro Tag, gleichmäßig über 24 Stunden verteilt, gewährleistet sein (zuckerhaltige Getränke sollten vermieden werden!). Die Proteinzufuhr (insbesondere in Fleisch- und Milchprodukten) sollte 1g pro Kilogramm Körpergewicht und Tag nicht überschreiten (also 75g Proteinzufuhr für einen 75kg schweren Mann pro Tag). Zusätzlich sollten Sie sich viel bewegen, Sport treiben.